Goethe

    • Abends in der Morgenröte

      Dunkel war’s, der Mond schien helle,
      Schneebedeckt die grüne Flur,
      Als ein Auto blitzesschnelle
      Langsam um die Ecke fuhr.

      Drinnen saßen stehend Leute
      Schweigend ins Gespräch vertieft,
      Als ein totgeschossner Hase
      Auf der Sandbank Schlittschuh lief.

      Und der Wagen fuhr im Trabe
      Rückwärts einen Berg hinauf.
      Droben zog ein alter Rabe
      Grade eine Turmuhr auf.

      Ringsumher herrscht tiefes Schweigen
      Und mit fürchterlichem Krach
      Spielen in des Grases Zweigen
      Zwei Kamele lautlos Schach.

      Und auf einer roten Bank,
      Die blau angestrichen war
      Saß ein blondgelockter Jüngling
      Mit kohlrabenschwarzem Haar.

      Neben ihm ’ne alte Schachtel,
      Zählte kaum erst sechzehn Jahr,
      Und sie aß ein Butterbrot,
      Das mit Schmalz bestrichen war.

      Oben auf dem Apfelbaume,
      Der sehr süße Birnen trug,
      Hing des Frühlings letzte Pflaume
      Und an Nüssen noch genug.

      Von der regennassen Straße
      Wirbelte der Staub empor.
      Und ein Junge bei der Hitze
      Mächtig an den Ohren fror.

      Beide Hände in den Taschen
      Hielt er sich die Augen zu.
      Denn er konnte nicht ertragen,
      Wie nach Veilchen roch die Kuh.

      Und zwei Fische liefen munter
      Durch das blaue Kornfeld hin.
      Endlich ging die Sonne unter
      Und der graue Tag erschien.

      Dies Gedicht schrieb Wolfgang Goethe
      Abends in der Morgenröte,
      Als er auf dem Nachttopf saß
      Und seine Morgenzeitung las

      [Dies Gedicht schrieb Wolfgang Goethe
      Abends in der Morgenröte,
      Als er auf dem Nachttopf saß
      Und seine Morgenzeitung las.]